Biblische Geschichten I

Auch erhältlich: "Biblische Geschichten II" (Artikel-Nr. 2004370)

Die Bibel - das ist auch ein großer Entwicklungsroman, ein Roman, dessen Protagonist Gott und dessen Antagonist Mensch heißen. Wie sich Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, so schuf sich auch der Mensch seinen Gott. Auch Gott durchlief eine Entwicklung. Vom jungen, grausamen, unberechenbaren, bisweilen ungerechten, eitlen, rachsüchtigen Gott wandelte er sich in einen zurückhaltenden, toleranten, manchmal gleichgültigen Gott. Ein Skandal für jeden Fundamentalisten: Gott hat eine Geschichte! - Ja, und sie wird in vielen Geschichten erzählt. Viele Geschichten, die späteren Redaktoren nicht mehr in ihr Gottesbild passten, wurden ausgemustert aus dem Buch der Bücher - wie zum Beispiel "Das Buch der Kriege des Ewigen" oder "Das Buch Jaschar".
Andere Geschichten sind verloren gegangen und erst mühsam über Umwege rekonstruiert worden - wie "Die Geschichte Salomos" oder "Die Tagebücher der Könige von Juda".
Neben der griechischen Mythologie, ja, vielleicht noch vor ihr, haben diese Geschichten jenen Teil der europäischen Seele geprägt, den ich das historische Bewusstsein des Empfindens nennen möchte. Und ebenso wie in der griechischen Mythologie behauptet sich in den biblischen Geschichten die Gegenwärtigkeit des Mythos.

(Michael Köhlmeier)

ORF-CD617